Realisierungswettbewerb
Schulcampus (Gymnasium, Grundschule, Sporthalle) in Erfurt
Projektbearbeitung Junk & Reich Architekten BDA
Klaus Reich, Dipl.- Ing. Architekt
Jörg Baum, Dipl.- Ing. Architekt
Mitarbeit:
Niels Bröker, Master of Arts Achitecture (Entwurf)
Marc S. Kratzer, Bachelor of Arts Achitecture
Landschaftsarchitekt:
Planungsbüro Rau
Karl Georg Rau, Dipl.- Ing. (FH)
Fachberatung:
HKL Ingenieurgesellschaft mbH
Martin Deutschmann, Dipl.- Ing. (FH)
Versorgungstechnik
DAS PRINZIP DES MÜNCHNER LERNHAUSES
Leitidee
Der neue Schulcampus ist eine moderne Bildungslandschaft aus Lernhäusern und Freiräumen mit vielfältigen und flexiblen Lern- und Freizeitangeboten. Die aus den Vorgaben des Ortes heraus entwickelte städtebauliche Struktur und Gebäudeform stiftet Identität und sorgt durch Klarheit für Orientierung und Wohlbefinden der Nutzer. Der Entwurf ist ein grundlegendes Bildungsangebot an die Schüler. Er schult ästhetische und soziale Kompetenzen, technisches Verständnis und Umweltbewusstsein.
Städtebau / Erschließung
Die auf dem neuen Schulcampus geplanten Nutzungen „Grundschule“, „Gymnasium“ und „Sporthalle“ werden in drei Baukörpern realisiert, die das Planungsgebiet durch ihre Setzung in drei große Freiraumzonen unterschiedlichen Charakters gliedern. Mit der Anordnung der Baumassen soll zudem der problematischen Lärmsituation begegnet werden. Aus diesem Grund wird der kompakte, geschlossene Baukörper der Sporthalle im Osten des Gebiets quer zur Hauptlärmquelle „Bahn“ platziert. Er dient als Lärm- und Sichtschutz des Campusgeländes. Ihm zugeordnet befinden sich im Norden der „Wirtschaftshof“ mit Parkplätzen und Lieferzone, sodass eine vom Schulbetrieb unabhängige Erschließung (u.a. auch für den Vereinssport in der Sporthalle) gegeben ist und Kreuzungen zwischen Fahrverkehr und Schülerwegen vermieden werden. Die beiden Schulbaukörper werden längs zur Hauptlärmquelle „Bahn“ angeordnet, um den Lärmeintrag in die Gebäude zu reduzieren. Die Baukörper rahmen den Schulhof im Süden ein, der sich hinsichtlich Nutzungszeiten und Geräuschpegel mit dem Einkaufs- und Versorgungszentrums deckt. Der zentrale, dreigeschossige Baukörper des Gymnasiums riegelt den belebten Schulhof von der nördlichen Wohnbebauung ab und schützt diese vor Pausen- / Sportlärm als auch vor dem Lärmeintrag aus Richtung Versorgungszentrum. Im westlichen Teil des Schulgeländes wurde der Baukörper der Grundschule platziert. Leicht schräg gestellt zur Greifswalder Straße bildet er den Auftakt zu der neuen, innovativen Bildungslandschaft. Der zugeordnete Schulgarten im Norden ist im Gegensatz zum Schulhof ein eher ruhiger Freiraum, von dem keine Lärmbelästigungen in Richtung Wohngebiet zu erwarten sind.
Die drei Baukörper werden gezielt an der Greifswalder Straße bzw. an der neuen Ringstraße positioniert, um die Raumkanten entlang der Straßen zu definieren. Raumbildende Pergolen fassen die drei großen Freiraumzonen ein und setzen die durch die Gebäude definierten Raumkanten fort. Die Pergolen sind - wie auch die aus der Formsprache des alten Schlachthofes heraus entwickelte Dachform der drei Gebäude - ein wichtiges, identitätsstiftendes Gestaltungselement und stärken den Campusgedanken. Der an der Leipziger Straße (Haltestellen) beginnende, das Versorgungszentrum durchziehende Fußweg wird auf dem Schulgelände fortgeführt und vernetzt die öffentlichen Funktionen mit dem neuen Wohngebiet. Begrenzt durch das Grundschulgebäude im Westen und das Gymnasium und den Schulhof im Osten wird der Weg Teil des Campus aber auch wichtiger Treffpunkt innerhalb des neuen Stadtgebietes. Die zentralen Funktionen der Schulen (Aula der Grundschule, Mensa des Gymnasiums) wurden direkt an diesem Weg angeordnet und können für Veranstaltungen des Stadtgebietes zum öffentlichen Raum hin geöffnet werden.
Räumliche Organisation der Schulfunktionen
Die Grundrisse der Grundschule und des Gymnasiums basieren auf den „Leitlinien für leistungsfähige Schulbauten in Deutschland“ und verfolgen das innovative Modell der offenen Lernlandschaft, beziehungsweise dem Münchner Lernhaus. Sie wurden dahingehend optimiert, dass in jeder Lernlandschaft ein Teilbereich von mindestens 60 qm separiert und für klassischen Unterricht in einem abgeschlossenen Raum genutzt werden kann.
Im Erdgeschoss der Grundschule wurde die Aula als zentraler Raum angeordnet, der sowohl zur Treppenanlage (= Sitzgelegenheiten für Publikum) als auch zum Fußweg / Schulhof (z.B. für Feste) geöffnet werden kann. Im Erdgeschoss befinden sich auch alle Kreativ- / Fachräume. Sie können mit der Aula in Nutzungssymbiose treten und profitieren auch untereinander von ihrer Nachbarschaft und gemeinsamen Vorbereitungszonen. So könnten z. B. im Werkraum und im Kreativraum Kulissen und Kostüme für Theateraufführungen entstehen. In der Schulküche können Ernteerträge aus dem Schulgarten verarbeitet werden. Die Aula kann im normalen Schulbetrieb auch als Speiseraum genutzt werden. Sollten die Kapazitäten zur Mittagsversorgung nicht ausreichen, kann die Mensa im benachbarten Gymnasium mitgenutzt werden. Ein unterirdischer Gang, der durch ein kleines Amphitheater im Außenraum belichtet wird, verbindet Grundschule und Gymnasium. Die Verwaltung der Grundschule wurde ebenfalls gut sichtbar im Erdgeschoss platziert. Im Obergeschoss bilden jeweils vier Lernlandschaften ein offenes Cluster, das durch einen inneren Kern gegliedert wird. So entstehen Teilbereiche für klassischen Unterricht, verglaste Differenzierungsräume, offene Lernecken und ein großer zusammenfassender Lernflur. Der Laubengang im Außenraum kann – neben seiner Funktion als Fluchtweg und Schattenspender – auch zur Unterrichtsgestaltung herangezogen werden.
Analog zur Grundschule bildet auch im Erdgeschoss des Gymnasiums ein zentrales Raumgefüge das sog. „Herz der Schule“. Die Kombination aus Foyer, Mensa und Aula dient als Versammlungsraum, Pausenraum und Veranstaltungsraum und kann zum Außenraum (Schulhof, Fußweg) geöffnet werden. Dem „Herz der Schule“ werden auch hier dienende Kreativräume, z. B. der Kunstraum, der Musikraum und der Werkraum zugeordnet. Eine großzügige Sitztreppe lädt zum Aufenthalt in den Pausen ein. Sie führt direkt zur Schulverwaltung im 1. Obergeschoss. In den Obergeschossen des Gymnasiums lagern sich drei große Lernlandschaften an den zentralen Erschließungsraum an. Sie sind nach dem Vorbild des Münchner Lernhauses gestaltet. Jede Lernlandschaft beherbergt vier Lernwelten und zwei Kursräume, ergänzt durch offene Lernecken, Differenzierungsräume in Form von Glasboxen und zum Teil offene Schülerküchen. Die Grundrisslösung ermöglicht jahrgangsübergreifendes Lernen. Im 2. Obergeschoss befindet sich der (zur sonstigen Schule hin abschließbare) naturwissenschaftliche Bereich. Er wird vor allem dem Sekundarbereich 2 zugeschrieben. Abschließbare Vorbereitungsräume mit Technik- und Materiallagerung gliedern den naturwissenschaftlichen Bereich in mehrere Experimentierzonen. Ein besonderes Highlight ist der zum zentralen Erschließungsraum hin verglaste Hörsaal.